Sonntag früh ( bzw. nacht ) um 3:45 Uhr klingeln kurz nacheinander der
Wecker und 2 Mobiltelefone, es gibt für mich kaum einen größeren Horror
als einen Wettkampf zu verpennen, noch dazu der wichtigste des Jahres!
Ich bringe das übliche Vorwettkampf-Frühstück hinter mich ( 2 süße
Brötchen mit Banane, ich hasse es so früh was essen zu müssen ), packe
die letzten Sachen ein und bin abmarschbereit. Damit meine Freundin mich
rechtzeitig in Maintal-Hochstadt am Kopfsteinpflaster in der 1ten Runde
erwischt hatte ich beschlossen, mit der U-Bahn von Enkheim zum Römer zu
fahren und dann mit dem Shuttle-Bus zum Waldsee.
Gesagt getan, am Römer treffe ich eine Bekannte und wir entern kurz danach
den Bus, der erfreulicherweise direkt vor unserer Nase hält, so können
wir uns gleich die ersten Sitzplätze sichern! Eigentlich merkwürdig,
obwohl wir nachher gut 180km eh sitzen müssen wollen wir jetzt auch
sitzen statt stehen. Später wundern wir uns ( na gut, ich wundere mich
) dann noch über den merkwürdigen Fahrweg des Busfahrers zum Waldsee,
ich muss mir von meiner Bekannten nun vorhalten lassen daß ich mich gerade
"ganz schön deutsch" verhalte
Am Waldsee angekommen beginnt dann das restliche übliche Vorbereitungsgedöhns, ihr kennt
das ja alle......
Ganz zum Schluss dann den Neo an, letzter Gang zum WC und dann runter
ins Wasser. Eigentlich würde ich gerne ganz nach vorne, aber ich hab in
der Wechselzone zu sehr getrödelt und muss aus der Mitte heraus starten.
Der Startschuss fällt und eine mächtige Prügelei beginnt. Man sieht
eigentlich nur noch schwarze Leiber, Arme, Beine, der reinste Horror.
Ich versuche immer wieder durch Lücken zu schwimmen um dieses Getümmel
hinter mich zu bringen aber so richtig will mir das nicht gelingen.
Zwischendrin lässt es sich zwar einigermaßen stabil schwimmen aber dann
schwimmt man schon wieder auf die nächste Gruppe auf und das Geprügel
beginnt vom neuen. An der ersten großen Wendeboje herrschen dann
katastrophale Zustände. Jeder will so eng als möglich dran vorbei, was
zur Folge hat daß viele einfach gegen die Boje gedrückt werden und
Gefahr laufen, unter diese zu geraten. Ein unglaubliches Hauen und
Stechen, das erstemal habe ich beim Schwimmen richtig Angst!
Kurz nach der Boje zieht sich dann das Feld endlich auseinander in
Richtung Landgang, dort dann unglaublich : Stau! Man watschelt an Land
und muss erstmal anstehen um wieder ins Wasser zu kommen! Vor lauter
"Faszination" vergesse ich, auf die Uhr zu schauen wie lange ich bis
hierher gebraucht habe. Dann kann es endlich weitergehen und die letzten
1,7km beginnen. Die laufen dann richtig gut ohne große Kollisionen mit
anderen und nach 1:07undebbessekunden bin ich an Land, prima! Allerdings
befindet sich die Matte zur Zeitmessung weiter oben am Ende des kleinen
Anstiegs und nicht unten am Strand, also steht als Schwimmzeit 1:08;03
Std womit ich aber dennoch sehr zufrieden bin.
Der Wechsel ist nervig. Beutel suchen, ins Zelt rennen, sich dort
umziehen, das Geraffel in den Beutel packen, Beutel abgeben und erst
dann zum Rad - wer hat sich diesen Unfug ausgedacht? Am Rad lege ich
noch den Polar an und es kann mit dem Radfahren losgehen!
Auf den ersten km verpflege ich mich erstmal mit etwas Flüssigkeit und
dem ersten Gel und horche in mich rein, was sagen die Beine? Die sagen
"Gude, du bist gerade ne PB auf 3,8km geschwommen, wart mal e bissi bis
wir wieder beisammen sind". Ich hatte mir eh vorgenommen auf den ersten
km runter nach FFM nicht zu sehr reinzuhauen, aber selbst wenn ich es
mir vorgenommen hätte - es wäre nicht gegangen, denn ich merke schon
recht bald, daß meine Beine heute auf hohe Geschwindigkeiten nicht
wirklich Lust haben.
Der erste Anstieg in Bergen-Enkheim läuft gut und flüssig und auf der
folgenden Abfahrt gelingt es mir tatsächlich, diese zum allerersten mal
komplett in Aero-Position zu fahren! Gut, sonst sind hier halt
zig-Autofahrer unterwegs, da habe ich viel Respekt und baue lieber auf
Sicherheit. In Maintal-Hochstadt werde ich als einer der 8 Maintaler vom
Sprecher angekündigt, und das spornt mich an, das Kopfsteinpflaster
hinauf zu jagen als ginge es um den Sieg. Meinen Beinen gefällt das gar
nicht und sie schicken mir als Protest den ersten kleinen Krampf - jetzt
schon, nach 30km???? So war das nicht abgesprochen! Aber mit Krämpfen
kann ich mittlerweile gut umgehen, soll heißen : ich ignoriere sie
einfach und fahre weiter. Und siehe da, wenig später ist nix mehr zu
spüren.
Kurz nach Hochstadt geht es in Wachenbuchen den dann den dritten
"Anstieg" hinauf, der Hühnerberg zieht sich quasi vom Ortseingang an
hoch, allerdings in mehreren Stufen, was den Anstieg etwas unrythmisch
macht, wie ja auch die gesamte Strecke m.M.n. sehr unrythmisch ist. Die
folgende Abfahrt kann man auch nicht wirklich zum Tempo gut machen
nutzen da sie einfach zu kurz ist, es geht dann scharf links und sofort
wieder rechts ab nach Niederdorfelden rein und dort auch wieder scharf
rechts am sogenannten "Teufelseck" vorbei, dann sofort wieder links
durch den alten Ortskern hindurch, dann wieder rechts und schließlich
raus ausm Dorf.
Bevor ich jetzt aber den gesamten Streckenverlauf erzähle mach ich es
besser kürzer! Bis Friedberg läuft es trotz starkem Nordostwind recht
gut, mein Schnitt pendelt so um die 30/30,5km/h was jetzt nicht
berauschend ist aber was soll ich machen? Ich teste immer wieder an ob
ich schneller fahren kann, meine Muskeln machen mir allerdings sofort
klar daß sie davon gar nichts halten, ich könnte zwar schneller, das
würde aber, das merke ich ganz genau, sehr zu Lasten meiner Laufleistung
gehen!
Als es zurück nach FFM geht freue ich mich auf den Rückenwind, aber wer
die Wetterau kennt, der weiß, daß diese sich einen Dreck um konstante
Windrichtungen schert, der Wind kommt nun nämlich aus Ost / Südost, was
bedeutet, daß man entweder Seiten-oder eben wieder Gegenwind hat. Nunja,
da es nun einige Bergab-Stücke gibt kann man versuchen, Tempo zu
bolzen, und kurzzeitig erreiche ich sogar einen 31er-Schnitt, damit ist
dann aber spätestens am "Heartbreak-Hill" in Bad Vilbel Schluss, denn
dieser schafft es, meinen Schnitt wieder auf die 30 zu drücken. Schöne
Abfahrt dann nach FFM-City rein, an der WZ vorbei ( ich muss mich
beherrschen nicht einfach abzubiegen, die überraschten Gesichter hätte
ich gerne gesehen ) über zwei Brücken drüber und die zweite Runde beginnt.
Diese unterscheidet sich - man ahnt es - nicht vom Streckenverlauf der
ersten Runde, was die Sache etwas langweilig macht, weil man als
Einheimischer hier sowieso jede Kurve quasi mit Namen kennt. Die zweite
Runde ist richtig harte Arbeit, denn ich will unter keinen Umständen den
30er Schnitt verlieren. Immer wieder versuche ich, schneller zu fahren,
aber es will mir nicht gelingen, dieses Tempo aufrecht zu halten. Da
fehlt was, und zwar ein gewaltiges Stück Kraftausdauer. Zweifel werden
in mir laut, wenn ich jetzt schon so arbeiten muss um eine mindere
Geschwindigkeit zu halten, wieviel ist dann nachher noch fürs Laufen
übrig? Breche ich sogar komplett ein??
Aber es hilft ja nix, ich bin hier unterwegs und ich bringe die Sache zu
Ende! Monatelanges Training und jetzt klein beigeben? Niemals. Eher
falle ich tot um, als aufzugeben! Je näher es auf FFM zugeht umso besser
geht es mir wieder ( schon irgendwie merkwürdig, daß diese mentalen
Einbrüche immer so um km 120/130 herum kommen? ) und ich freue mich aufs
Laufen. Der Heartbreak-Hill läuft sehr gut und auf der finalen Abfahrt
nach FFM bereite ich mich aufs Laufen vor. Die Verpflegung übrigens ohne
Probleme, aufgrund der Kombination Hitze mit starkem Wind hatte ich
schon bald gemerkt daß ich mehr Energie benötige als "an Bord"
verfügbar, so habe ich an den Verpflegungsstellen immer wieder zu Gels
gegriffen. Vom trinken her wechsle ich viel Wasser mit wenig Iso ab. Hat
bestens funktioniert!
Der Wechsel zum Laufen klappt ganz gut, nur die Sucherei nach dem Beutel
nervt schon wie am Waldsee. Frische Strümpfe an, nochmal Sonnencreme
nachgelegt und ab dafür. Ich versuche gleich von Anfang an auf
5:06min/km zu laufen, zu Anfang klappt das auch aber dann merke ich
recht schnell daß ich zuviel Körner auf der Radstrecke gelassen habe.
Ich versuche auch hier nun immer wieder, das Tempo anzuziehen, aber es
ist heute wie verhext, der Knoten will nicht platzen. Unterwegs sehe ich
ADJ, Kalorienchen und clara226, welche mir mitteilt wie locker ich noch
aussehen würde - hat die ne Ahnung wie es in mir drinnen ausschaut!
Ich meckere über das Radfahren und das Laufen und denke mir
anschließend "wenn ich noch die Kraft habe zum meckern dann stimmt doch
irgendetwas nicht????". Wie auch immer, ich laufe also nun meinen
Stiefel und lege nur an den Verpflegungsstellen kurze Gehpausen ein,
ansonsten wird durchgelaufen. Viele andere, die mich auf der Radstrecke
überholt haben, sind schon beim wandern, manche haben noch nichtmal das
erste Bändchen um - au weia! Erst später wird mir bewusst, wie stolz ich
eigentlich auf die heutige Leistung sein kann, wenn man gesehen hat
wieviele eingebrochen sind.......
Der Marathon verläuft für mich eigentlich recht unspektakulär, die
großen Schmerzen bleiben diesesmal aus und mit der Hitze komme ich ja
sowieso sehr gut zurecht, zumal ich an den Verpflegungsstellen für genug
Abkühlung sorge - das ist ja das A und O bei derartigen Verhältnissen!
Das Laufen macht mir Spaß, noch mehr Spaß würde es machen wenn ich
schneller laufen könnte aber wie gesagt - die Beine wollen heute nicht.
Der Wille ist da aber die Verbindung zwischen Kopf und Körper fehlt.
Schade!
Viele Freunde und Bekannte stehen an der Strecke, auf der Sachsenhäuser
Seite sehe ich in meiner letzten Runde noch einen Bekannten stehen und wir
klatschen uns kurz ab. Dann geht es endlich dem Ende entgegen, und diese
letzten km werden nochmal richtig hart. Ich sehne mich nach hinsetzen ,
hinlegen, Augen schließen aber wenn ich das jetzt hier an Ort und
Stelle mache sind vielleicht recht schnell die freundlichen Damen und
Herren vom Medizinischen Dienst da und nix is mit rotem Teppich zum
Römer. Also flüstere ich nun ständig vor mir her "Laufen Laufen Laufen
Laufen Laufen Laufen Laufen"........zum Glück ist hier derart viel
Getöse durch die Zuschauer daß mein Gebrabbel eh von niemanden wahr
genommen wird
Als ich endlich das letzte Bändchen bekomme bedanke ich mich bei den
Helfern, bedanke mich auch an der letzten Verpflegungsstelle und dann
will ich aber endlich heim! Rüber auf die andere Mainseite, an der
Wechselzone vorbei und dann ist er endlich da, der Zieleinlauf zu Römer!
Und es ist wie beim erstenmal 2009, diese Kulisse ist einfach derart
fantastisch daß man sofort eine Gänsehaut bekommt! Es ist DER
Zieleinlauf schlechthin, ich weiß nicht ob es einen schöneren gibt!
Nach insgesamt 11:12 Std. bin ich im Ziel und damit knapp 13 Minuten an
meiner Kopfzeit vorbei aber das ist mir im nachhinein wurscht. Der
Ironman in Frankfurt ist nunmal kein Kindergeburtstag auch wenn man
angesichts der Radstrecke meint, dies annehmen zu müssen. Ich finde sie
sehr anspruchsvoll weil sie so "Rythmusbrechend" ist, das ist kein
welliges geradeaus fahren wie in Köln oder ein profiliertes im Kreis
fahren wie in Hannover. Es ist mehr. Es ist eben Frankfurt und die
Wetterau!